End-to-End Prozess: Definition, Vorteile & Visuals
Marcus Bolzhauser
Zuletzt aktualisiert: 27.08.2024 ● 7 min Lesezeit
Die End-to-End Prozessmodellierung ist unverzichtbar für Unternehmen geworden, denn sie erlaubt es, Abläufe ganzheitlich zu verstehen und Ineffizienzen aufzudecken und ist die Grundlage für eine durchgehende, kundenzentrierte digitale Transformationen.
In diesem Blogbeitrag geben wir Einblicke in die Ziele, Methoden und Teilprozesse der End-to-End-Prozessmodellierung. Wir betrachten die Integration von KI und Automatisierung und widmen uns den Best Practices sowie den Herausforderungen der End-to-End-Prozessorganisation. Dabei untersuchen wir die grundlegende Bedeutung der Kundenzentrierung und, damit zusammenhängend, der Customer Journey und Touchpoint Experience.
1. Die End-to-End-Prozessorganisation
In der heutigen Geschäftswelt stehen Unternehmen vor der Herausforderung, effiziente Prozesse zu etablieren, die nicht nur intern reibungslos funktionieren, sondern auch die Bedürfnisse der Kunden optimal erfüllen. Der Ansatz des End-to-End-Prozessmanagements rückt dabei in den Fokus.
Für Unternehmen, die Ernst machen wollen mit der Customer Centricity und dem Bestreben, ein optimales Kundenerlebnis zu bieten, führt kein Weg an durchgängigen End-to-End Prozessen vorbei.
Der Kunde steht dabei an erster Stelle, denn ein End-to-End-Prozess wird aus seiner Sicht betrachtet und getestet. Nur so kann gewährleistet werden, dass alle Abläufe eines Geschäftsprozesses bestmöglich ineinandergreifen und mit Blick auf das gemeinsame Ziel optimiert und abgestimmt sind: die Erfüllung der Kundenbedürfnisse.
In der End-to-End-Perspektive beginnt der Prozess nicht nur bei den Kunden, oder wird von ihnen ausgelöst, sondern er endet auch dort wieder. Dazwischen stehen zahlreiche zeitlich und logisch zusammenhängende Teilprozesse, die zumeist das gesamte Unternehmen mit seinen verschiedenen Abteilungen und Positionen einbeziehen. Die Erstellung einer detaillierten Prozesslandkarte ist hierfür unverzichtbar.
Der Nutzen einer Prozesslandkarte
Zahlreiche wissenschaftliche Ansätze verbinden sich in der komplexen Welt der Prozessoptimierung in einem effektiven End-to-End-Framework. Wir fokussieren in diesem Blogbeitrag auf eine kleine Auswahl grundlegender Modelle und das, was am Ende zählt: konkrete Erfolgsgeschichten und aussagekräftige KPIs. Zu diesen grundlegenden Modellen gehört zweifelsohne die Prozesslandkarte.
Die Prozesslandkarte bietet einen klaren Überblick über alle Geschäftsprozesse eines Unternehmens, erleichtert die Identifikation von Optimierungspotenzialen und trägt zur effizienten Gestaltung sowie Steuerung der Abläufe bei. Zudem ermöglicht sie eine verbesserte Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Abteilungen, da die Interaktionen und Abhängigkeiten in einem End-to-End-Prozess transparent dargestellt werden. Dies trägt maßgeblich dazu bei, die Gesamtleistung eines Unternehmens entscheidend zu steigern und Wettbewerbsvorteile zu schaffen.
Die Prozesslandkarte bildet Geschäftsprozesse eines Unternehmens vollständig ab und ordnet diese in Prozessebenen an. Dabei bezieht sie Wechselwirkungen und Prozessverantwortlichkeiten ein:
Zu den Prozessebenen:
- Die Führungsprozesse (auch Steuerungsprozesse) sind die Prozesse der Unternehmensplanung und -steuerung und bilden den Rahmen für die Kerngeschäftsprozesse und Unterstützungsprozesse.
- Die Kernprozesse (Primärprozesse) sind Geschäftsprozesse mit hohem Wertschöpfungsanteil, also gewissermaßen das Tagesgeschäft. Sie steht hier zusammengefasst mit Innovate/Sell/Deliver, also innovativ sein, verkaufen, (aus)liefern) und erfordern die richtige Verknüpfung von Automatisierung und Customer Experience. Sie sind wettbewerbskritisch, denn sie liefern Kunden einen Mehrwert.
- Die Supportprozesse (Unterstützungsprozesse) haben keine oder nur geringe Wertschöpfungsanteile, sind aber zur Leistungserbringung in den Kernprozessen unerlässlich, so die IT, das Controlling und Personalwesen.
Da End-to-End-Prozesse beim Kunden anfangen und beim Kunden aufhören, ist die Integration der Customer Journey essentiell. Anhand der Analyse ihrer Touchpoints lässt sich herausfinden, wo der Kunde mit dem Unternehmen in Kontakt tritt, und wie die Prozesse aussehen, die seine Erwartungen bedienen.
2. Grundlagen des End-to-End-Prozesses
Wie wir gesehen haben, bezeichnen End-to-End-Prozesse also Geschäftsprozesse, die sämtliche Schritte und Aktivitäten von Anfang bis Ende umfassen und alle relevanten Phasen der Wertschöpfungskette eines Unternehmens durchlaufen. Er betrachtet die gesamte Abfolge von Aktivitäten, die notwendig sind, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen oder eine Dienstleistung oder ein Produkt von Anfang bis Ende zu erstellen und bereitzustellen. Basisinformationen über die Bedeutung von End-to-End-Prozessen finden Sie auch in unserem Blogbeitrag e2e Bedeutung.
Die Funktionsweise eines End-to-End-Prozesses beinhaltet typischerweise folgende Schritte:
Exkurs: Automatisierung der Prozesse mit KI und RPA
Die Optimierung der End-to-End-Prozesse geht mit ihrer Automatisierung einher. Mit digitalen, KI-gestützten Tools können durchgängige Order-to-Cash (O2C)-Plattformen geschaffen werden, die nicht nur die Kundenzufriedenheit und den Gewinn erhöhen, sondern auch kritische Schritte im Order-to-Cash-Prozess optimieren.
Ebenso können Beschaffungsprozesse (Source-to-Cash) weitgehend automatisiert werden. Der durchgängige End-to-End-Prozessansatz nutzt dafür eine IT-Struktur, in der KI-gestützte Werkzeuge Auftragsverhandlungen auf Zulieferer-Plattformen, Bedarfsmeldungen aus dem Lager oder auch die Zahlungsabwicklungen übernehmen. Dadurch wird die zeitintensive Kommunikation über Telefonate, E-Mails und Briefe zwischen Zulieferern und Unternehmen deutlich reduziert.
Auch viele buchhalterische Tätigkeiten lassen sich automatisieren und dadurch erheblich beschleunigen. Ein fortschrittliche Unternehmensdatenbank fasst unterschiedliche Datenquellen sowie vorgelagerte Systeme in einem einheitlichen Datenmodell zusammen; Grundlage für das Reporting und die Analysen im Rahmen des Record-to-Report (R2R)-Prozesses.
Bei der Etablierung konsistenter End-to-End-Prozesse richtet sich der Blick auf die Prozessabläufe sowie die IT-Infrastruktur. Process Mining umfasst dabei verschiedene Funktionalitäten, welche die Aufnahme sowie Analyse eines Prozesses effizienter gestalten. Weitere Tools wie Robotic Process Automation (RPA) zur Automatisierung regelbasierter Routinetätigkeiten ermöglichen eine nahtlose Integration automatisierter Abläufe und tragen dazu bei, den Gesamtprozess weiter zu optimieren (Prozessautomatisierung).
Beispiel Bestellprozess
Ein Beispiel für einen End-to-End-Prozess ist der Bestellprozess. Dieser umfasst die Aufnahme der Bestellung, die Überprüfung der Verfügbarkeit von Produkten, die Abwicklung der Zahlung, die Versandvorbereitung und schließlich die Lieferung an den Kunden. Ein gut gestaltetes End-to-End-Prozessmanagement identifiziert Engpässe, steigert die Effizienz und verbessert die Kundenzufriedenheit.
3. Effizient und kostensparend: End-to-End Prozesse
Die Einführung einer End-to-End-Prozessorganisation bietet eine ganzheitliche Perspektive auf Unternehmensabläufe, was zu einer verbesserten Effizienz und Kosteneinsparungen führt. Insgesamt trägt das End-to-End-Geschäftsprozess-Management dazu bei, die Gesamtleistung zu maximieren und die Kundenzufriedenheit zu steigern.
Die Vorteile:
End-to-End-Perspektive geht vor Abteilungs-Perspektive: Die ganzheitliche Prozessbetrachtung bricht das Silodenken auf.
Die Identifikation von Engpässen und Optimierungspotenzialen ermöglicht eine gezielte Leistungssteigerung.
Fördert die agile Anpassung an sich ändernde Marktbedingungen und verbessert die Reaktionsfähigkeit des Unternehmens.
Konsequente Ausrichtung auf die Erfüllung von Kundenwünschen — die Customer Centricity!
Sorgt für Konsistenz in der Leistungserbringung und Vermeidung von Redundanzen.
Förderung der Zusammenarbeit auch mit externen Partnern — Prozessmodellierung reduziert Informationsverluste und beschleunigt die Lieferketten.
Moderne Technologien fungieren als Katalysator für die Verbesserung der Integration und Transparenz — für effektive Kommunikation, mehr automatisierte Prozesse und Förderung einer datengetriebenen Entscheidungsfindung.
Exkurs: Die Touchpoint Experience im End-to-End-Prozess
Am Beginn der Prozesse im End-to-End-Modell stehen die Touchpoints, also die Schnittstellen, an denen der Kontakt zum (potenziellen) Kunden oder zur Kundin entsteht. Die Kontaktpunkte sind aufgrund wachsender Digitalisierung im Kundenservice zahlreich und vielfältig! Ihre optimale Ausgestaltung ist das A und O für eine herausragende Customer Experience. Sie folgen den Phasen Awareness | Consideration | Acquisition | Service | Loyality.
Da im End-to-End-Prozess alles auch beim Kunden endet, ist auch das Feedback der Kunden mit Blick auf die Qualitätssicherung im Service Center, die künftige Optimierung der Prozesse und natürlich die Weiterempfehlungsrate von Bedeutung. Und bietet im übrigen oft ganz nebenbei marketingrelevante Erkenntnisse, beispielsweise über Touchpoints, die man nicht im Blick hatte oder Informationen über Produkte von Mitbewerbern. Bei allen Fragen der Touchpoint-Optimierung steht Ihnen übrigens das Bolzhauser-Team gerne mit Rat und Tat zur Seite!
5. Herausforderungen und Lösungsansätze
Die Umsetzung von End-to-End-Prozessen kann auf Herausforderungen wie komplexe Schnittstellen, unklare Verantwortlichkeiten und Widerstand gegen Veränderungen stoßen. Eine effektive Lösung bietet die Nutzung von FAQs und Problemlösungsdiagrammen. Diese visuellen Hilfsmittel verbessern die Kommunikation, fördern das Verständnis der Mitarbeitenden und erleichtern die erfolgreiche Implementierung von End-to-End-Prozessen, indem sie klare Orientierung und Lösungsansätze bieten.
Zu den anerkannten Methoden gehört das Ishikawa-Diagramm (auch, u.a., Fischgräten-Diagramm genannt), eine kreative Technik zur Identifizierung und Analyse von Ursachen, die zu einem Problem, einem Fehler oder einer Herausforderung führen. Das Erstellen des Ishikawa-Diagramms in einem funktionsübergreifenden Team gewährleistet eine systematische und umfassende Ursachenanalyse zur anschließenden Identifikation der effizientesten Maßnahmen.
Das Ishikawa-Diagramm wird auch 4-M-Methode (erweiterbar auf 5-M, 7-M, 8M-Methode) bezeichnet, denn es betrachtet folgende Haupteinflussgrößen: 1) Material, 2) Maschine, 3) Methode, 4) Mensch, 5) Milieu, 6) Management, 7) Messung und 8) Money.
Die Ishikawa-Methode zur Lösung betrieblicher Probleme
6. Fallstudien und Best Practices
In der Praxis haben sich folgende Vorgehensweisen als besonders wirksam für die End-to-End-Prozessoptimierung erwiesen. Dass bei allen Prozessschritten der Fokus die Bedürfnisse und die Zufriedenheit der Kunden (Customer Centricity) liegt, versteht sich von selbst.
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- Klare Prozessdokumentation: Eine detaillierte Dokumentation schafft Transparenz und Einheitlichkeit, was für ein gemeinsames Verständnis und eine effektive Zusammenarbeit im gesamten Unternehmen unerlässlich ist.
- Technologische Integration: Die Integration fortschrittlicher Technologien wie Künstliche Intelligenz, Automatisierung und Analytics ermöglicht eine erhebliche Steigerung der Prozesseffizienz und trägt zur Zukunftsfähigkeit des Unternehmens bei.
- Messbare Leistungskennzahlen (KPIs): Die Festlegung und Überwachung von KPIs ermöglichen eine objektive Bewertung der Prozessleistung, was wiederum die Identifikation von Optimierungsbereichen erleichtert und die Ausrichtung der Strategie auf messbare Ziele ermöglicht.
- Interdisziplinäre Zusammenarbeit: Durch die Einbeziehung verschiedener Abteilungen entsteht eine ganzheitliche Sichtweise auf die Prozesse, was die Identifizierung von Synergien und die Optimierung der Gesamtleistung fördert.
- Agile Methoden: Die Anwendung agiler Methoden ermöglicht es, sich flexibel an sich ändernde Anforderungen anzupassen und fördert die kontinuierliche Verbesserung, was insbesondere in schnelllebigen Geschäftsumfeldern von Vorteil ist.
- Mitarbeiterschulung und -beteiligung: Die Einbindung der Mitarbeitenden und Schulungen tragen dazu bei, Widerstände gegen Veränderungen zu minimieren und sicherzustellen, dass die Belegschaft die neuen Prozesse erfolgreich umsetzen kann.
- Pilotprojekte: Durch die Durchführung von Pilotprojekten können Unternehmen die Effektivität von Veränderungen testen, mögliche Herausforderungen frühzeitig identifizieren und Anpassungen vor einer umfassenden Implementierung vornehmen. Dies minimiert Risiken und verbessert die Erfolgsaussichten von größeren Veränderungsinitiativen.
Kontaktieren Sie unser Experten-Team für ein kostenloses Erstgespräch, wenn Sie Fragen zu diesen Vorgehensweisen haben oder herausfinden möchten, welche Schritte für Ihr Unternehmen aktuell die vielversprechendsten sind!
Praxisbeispiel ATU
Der Erfolg von ATU — der „Nr. 1 Meisterwerkstatt“ in Deutschland — beruht auf der Kombination von Kfz-Service für alle Marken plus integriertem Fachmarkt für alle Autofahrer:innen. Das Bolzhauser-Expertenteam war mit umfassenden Restrukturierungs- und Qualitätssicherungsmaßnahmen beauftragt. Der Leiter des Service Centers resümierte abschließend: „Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Das Projekt erwirtschaftete einen Ergebnisbeitrag, der höher liegt als die Beratungskosten.“
Ausgangslage
100 Mitarbeitende im Service Center Weiden (zzgl. deutschlandweite Werkstattstruktur) und 50 Service-Mitarbeiternde beim Dienstleister
Schlechte Erreichbarkeit, Anstieg der Kundenbeschwerden
Ungenügende Produktivität aufgrund fehlerhafter bzw.
nicht vorhandener Steuerungskennzahlen und KPIs
Maßnahmen
Aufbau von KPI und Steuerungskennzahlen
Flexibilisierung der Arbeitszeitmodelle, Optimierung der PEP, Coaching der Teamleiter:innen
Einsatz IVR zum optimalen Routing der Calls (zwischen Service Center und Werkstätten)
Prozessoptimierung
Erfolge
70% Erhöhung des Servicelevels
26% Reduzierung der Prozesszeit
16% Steigerung der Produktivität
13% Bessere Erreichbarkeit
6 Monate ROI der Consultingkosten
Praxisbeispiel Gebrüder Weiss
Ausgangslage
600 Mitarbeitende im Service Center, 50 Mitarbeitende beim Dienstleister
Schlechte Erreichbarkeit
Anstieg der Kundenbeschwerden
Sinkende Produktivität aufgrund fehlerhafter bzw. nicht vorhandener Steuerungskennzahlen und KPIs
Maßnahmen
Erarbeitung der Servicestrategie
Aufbau von KPIs und Steuerungskennzahlen
Optimierung der Serviceprozesse
Prüfung von Automatisierungsmöglichkeiten — unter Zuhilfenahme von generativer KI
Kategorisierung der Servicevorgänge über generative KI
Erfolge
Reduzierung der Prozesszeit
Erhöhung der Produktivität
Erhöhung der Erreichbarkeit und des Servicelevels
7. Mit End-2-End-Prozessmanagement zum Erfolg — Zusammenfassung
Im heutigen ökonomischen Umfeld, das von Wettbewerb und Kundenerwartungen geprägt ist, steht in der End-to-End-Prozessoptimierung nicht nur die Effizienz im Fokus, sondern gleichermaßen die kundenzentrierte Ausrichtung als entscheidender Erfolgsfaktor. Von Einblicken in grundlegende Modelle und Methoden des Prozessmanagements über die technologischen Integration von KI und Automatisierung bis zu den Best Practices hat dieser Blogbeitrag die Chancen und Herausforderungen von End-to-End-Prozessen beleuchtet. Besonders betont wurde die Bedeutung von Customer Centricity und Customer Journey. Die Möglichkeiten der Automatisierung mit KI sowie die Digitalisierung von Touchpoints wurden als zentrale Faktoren zur Effizienzgewinnung und erfolgreicher Kundenzentrierung hervorgehoben.
Am Anfang steht also der Prozess, nicht die Technologie. Wer Automatisierung und Customer Experience zum Erfolg führen will, muss vom Ende her denken — das ist der Ansatz des End-2-End-Prozessmanagements.