Customer Experience Management — mehr als ein Trend
Marcus Bolzhauser
Zuletzt aktualisiert: 02.08.2024 ● 5 min Lesezeit
Schnelle Reaktionszeiten, unkomplizierte Unterstützung, kulante Regelungen – was früher als guter Kundenservice galt, reicht heute höchstens, um Probleme zu beseitigen. Loyale Kunden gewinnt man so nicht mehr. Denn die Digitalisierung hat die Erwartungen der Kunden und Kundinnen verändert. Wie lassen sie sich heute begeistern und binden? Customer Experience Management hilft Unternehmen, eine individuelle Antwort zu finden – und sich einen Vorsprung im Wettbewerb zu verschaffen.
Warum traditioneller Kundenservice nicht mehr ausreicht
Zwei Entwicklungen haben die Kundenerwartungen in den letzten Jahren beeinflusst: der Aufstieg des Smartphones zum digitalen Erstkanal und eine exzellente Customer Experience (u.a. Amazonisierung).
Über 50% der weltweiten Bestellungen werden heute mobil, per Smartphone oder Tablet, aufgegeben. Fast jeder Deutsche trägt ein Smartphone in seiner Tasche. Ein Griff genügt – schon ist die gewünschte Information eingeholt und das Produkt bestellt. „Mobile first“ versteht sich daher für die Gestaltung des Online-Angebots von selbst.
Digitale Mega-Konzerne wie Amazon und Netflix haben neue Standards in der Kundenorientierung gesetzt. Schnell, intuitiv und einfach sind die Kauferlebnisse. Personalisierte Vorschläge machen Lust auf Neues und vereinfachen die Kaufentscheidung. Für unübersichtliche Online-Plattformen, langsame Kaufprozesse und einen Kundensupport, der nicht mit einem Klick erreichbar ist, haben Kunden heute keine Toleranz mehr. Weder im privaten noch im beruflichen Kontext.
Wenn Unternehmen in Zukunft von Weiterempfehlungen und einem loyalen Kundenstamm profitieren wollen, müssen sie ihre Kunden und Kundinnen noch stärker in den Mittelpunkt rücken. Bevor Unternehmen also über technische Innovation nachdenken, um ihre Kundenzufriedenheit zu verbessern, müssen sie eine neue Denkweise verinnerlichen.
Vorteile von Customer Experience Management
In vielen Branchen herrscht ein harter Wettbewerb. Unternehmensangebote sind für Kunden kaum noch zu unterscheiden. Wen sollen sie als Hersteller oder Dienstleister beauftragen? Die Kaufentscheidung fällt letztlich aus dem Gesamtgefühl einem Unternehmen gegenüber, aus der Customer Experience. Diese können Unternehmen aktiv und strategisch gestalten.
Was bewirkt Customer Experience Management?
Customer Experience Management steuert und optimiert die Gesamtheit der Eindrücke und Interaktionen, die ein Kunde vor und im Laufe seiner Kundenbeziehung mit einem Unternehmen und dessen Angeboten an den verschiedenen Touchpoints macht.
Erfolgreiches Customer Experience Management sorgt dafür, dass Interessenten bereits vor dem ersten persönlichen Kontakt von Produkten begeistert sind und Bestandskunden in einer aktiven Beziehung zum Unternehmen bleiben. Mit den richtigen strategischen Maßnahmen erhöhen Unternehmen den Customer Lifetime Value ihrer Kunden und steigern ihren Umsatz dank besserer Konversionen. Untersuchungen haben ergeben:
70% der Kundenzufriedenheit sind fachlich getrieben. Nur 30% der Kundenzufriedenheit werden über weiche Faktoren erzielt.
Niedrigere Abwanderungsrate
Mehr Kundinnen und Kunden, die zu Markenbotschaftern werden
Geringerer Schaden bei negativen Kundenerfahrungen
Höherer Customer Lifetime Value
Kundendaten für Kampagnen und Produktverbesserung durch Kundenfeedback
Wie lässt sich Customer Experience Management umsetzen?
Die Gesamterfahrung eines Kunden mit einem Unternehmen setzt sich aus diversen Elementen zusammen. Um die Erfahrung zu verbessern, müssen Unternehmen technologisches mit strategischem Knowhow kombinieren.
Zunächst gilt es, den Ist-Zustand der Kundenbeziehungen zu erheben. Welche Touchpoints bestehen? Welche Probleme und Wünsche äußern Kunden? Hierzu können insbesondere Mitarbeiter-Erfahrungen aus Sales und Kundenservice, Feedback auf Bewertungsportalen und Ergebnisse vorhandener Analytics Tools herangezogen werden.
Im zweiten Schritt ist der Soll-Zustand zu definieren. Welche Erlebnisse sollen Kunden mit der Marke und den Produkten verbinden? Aus dem Vergleich von Ist- und Soll-Zustand entwickeln Unternehmen eine Strategie mit konkreten Maßnahmen, die positive Kundenerlebnisse schaffen sollen.
Aus Kostengründen ist es nicht möglich, jedem Touchpoint die gleiche Aufmerksamkeit zu schenken. Das Team muss priorisieren: An welchen Touchpoints sind Bedürfnisse nicht befriedigt? Wo sind mit einfachen Mitteln schnelle Verbesserungen zu erreichen? Je nach Ausgangssituation und wirtschaftlichen Möglichkeiten unterscheiden sich die Ziele des Customer Experience Managements.
Vielen Unternehmen fehlt die geeignete technologische Basis, um die neuen Ziele effizient zu erreichen. Oder sie schöpfen das Potenzial vorhandener Tools nicht aus.
Die wichtigsten Tools für eine bessere Customer Experience
- Kanalübergreifende Content-Management-Systeme
- Business Intelligence Applications
- Robotic Process Automation
- Chatbots
- Sprachanalysetools und semantische Analysen
Wie viele Anwendungen im Einsatz sind, lässt allerdings keinen Rückschluss über den Erfolg des Customer Experience Managements zu. Entscheidend ist die strategische Vernetzung der Tools und die intelligente Interpretation der gesammelten Daten.
Erfolgreiches Customer Experience Management ist kein Projekt, sondern ein fortlaufender Prozess. Rentieren sich die ergriffenen Maßnahmen? Eine regelmäßige Auswertung der Daten zeigt den Return on Invest und auch noch ungenutztes Potenzial.
Großes Potenzial für KMUs
Für eine Mehrheit der deutschen Unternehmen ist Customer Experience Management ein wichtiges Thema, wie eine Trend-Studie des i-CEM Instituts für Customer Experience Management von 2020 feststellt. Doch Customer Experience Management ist in Deutschland noch ein junges Feld: 52% der befragten Unternehmen betreiben es seit weniger als zwei Jahren.
Vor allem kleine und mittlere Unternehmen befürchten hohen Kosten. Dabei lassen sich viele Anwendungen kosteneffizient als SaaS nutzen, sodass selbst Start-ups für kleines Geld ihre Kundenbeziehungen optimieren können.
Bei der Umsetzung besteht laut Trend-Studie Verbesserungsbedarf: Wer erste Schritte Richtung Kundenzentriertheit unternommen hat, ist mit seinen Erfolgen nur mäßig zufrieden. Das ist besonders dann ärgerlich, wenn bereits Zeit und Personal-Ressourcen in die Erarbeitung und Umsetzung von Strategien geflossen sind. Die Wichtigkeit, Kundenerwartungen und Unternehmensangebote besser in Einklang zu bringen, stellen die Unternehmen jedoch nicht in Fragen. Stattdessen planen sie weitere Maßnahmen.
Hier zeigt sich, dass viele Unternehmen mit ihren Bemühungen erst am Anfang stehen: Verbesserung der Website (58 %), Aufbau eines Omni-Channel-Angebotes (48 %), Schulung von Mitarbeitern (46 %) und permanente Überwachung der Transaktionen an Touchpoints (40 %). Sie legen Grundlagen, schöpfen das Potenzial des Customer Experience Managements aber längst nicht aus. Für Unternehmen, die sich bisher noch keine strategischen Gedanken zu Customer Experience Management gemacht haben, sind das gute Nachrichten: Sie können ihren Rückstand noch leicht aufholen.
Der Kundenservice ist wichtiger Verkaufskanal. Mehr als die Hälfte aller Kontakte zum Unternehmen, nämlich 55,9%, erfolgt im Rahmen einer Kaufentscheidung.
5 Tipps für die Einführung eines Customer Experience Management
Orientieren Sie sich an Best Practices, wenn Sie in Ihrem Unternehmen ein strukturiertes Customer Experience Management etablieren wollen. Damit Ihre Aktivitäten auf solidem Fundament stehen, hier 5 Tipps für den Einstieg:
- Holen Sie sich den Rückhalt der Geschäftsführung.
Customer Experience Management betrifft nicht nur eine Abteilung, sondern verändert die Denk- und Arbeitsweise in der gesamten Organisation. Dieser kulturelle Wandel zu mehr Kundenzentriertheit sollte von der Führung mitgetragen und an die Mitarbeitenden kommuniziert werden.
- Bilden Sie ein multidisziplinäres Projektteam
Häufig verorten Unternehmen die Entwicklung einer Customer-Experience-Strategie im Marketing. Doch für viele Touchpoints können Sales und Support eine bessere Einschätzung zu Kundenbedürfnissen geben. Arbeiten Sie abteilungsübergreifend zusammen, um die Gesamtheit der Customer Journey besser zu erfassen und die richtigen strategischen Schwerpunkte zu setzen.
- Schaffen Sie einen zentralen Datenhub
Sorgen Sie dafür, dass Sie wichtige Daten zu Kundenverhalten und -bedürfnissen zentralisiert bzw. verknüpft haben. Je nach Voraussetzungen bietet es sich an, in neue Applikationen zu investieren oder vorhandene Strukturen von der IT-Abteilung verbinden zu lassen. Nutzen Sie die neuen Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz und Robotic Process Automation.
- Messen Sie die Kundenzufriedenheit
Sichern Sie die Qualität der Vorgangsbearbeitung im Service und befragen Sie die Kunden und Kundinnen nach der Zufriedenheit. Nutzen Sie auch Softwarelösungen zur Qualitätssicherung. Auf Basis der Kundenzufriedenheitsmessungen können dann Optimierungen angestoßen werden.
- Holen Sie sich Unterstützung von Experten
Erfahrungen zu sammeln, gehört zum Herzstück jedes erfolgreichen Customer Experience Managements. Zu Beginn beschleunigt es allerdings die Lernkurve, Berater hinzuzuziehen. Sie können die Strategieentwicklung mit Best Practices unterstützen, technische Prozessbegleitung leisten und helfen, Workflows zu schaffen, die kosteneffizient zum Ziel führen.