BAG-Studie: KI im Customer Support

Marcus Bolzhauser

Zuletzt aktualisiert: 02.08.2024 ● 7 min Lesezeit

Executive Summary

Künstliche Intelligenz (KI), insbesondere ihr wichtiger Teilbereich ‚Machine Learning‘, verändert die Welt. Gut geschulte Software-Roboter, Text-Mining-Algorithmen und intelligente Chatbots werden schon in naher Zukunft Routineaufgaben im Customer Support vollständig übernehmen. Denn die großen Stärken von KI sind Geschwindigkeit, Genauigkeit und Erreichbarkeit.

Daraus resultiert hohe Effizienz. Menschen werden natürlich weiterhin im Customer Support arbeiten, aber ihre Aufgaben werden anders und anspruchsvoller sein. Sie werden dabei helfen, die Maschinen zu schulen. Sie selbst bearbeiten nur noch die komplexen Fälle. Und sie übernehmen sogar bestimmte Aufgaben aus dem Marketing und der Marktforschung. Derzeit konzentrieren sich verlässlich funktionierende KI-Lösungen vor allem auf die schriftliche Kundenkorrespondenz an den wichtigsten Touchpoints: E-Mail-, Chat-, WhatsApp- und Facebook-Anfragen.

Die Prozessautomatisierung mit KI in der Bolzhauser-Praxis

Die erfolgreiche Automatisierung dieser Prozesse im Customer Support mithilfe von KI erfolgt bei Bolzhauser in drei Schritten:

1 Die korrekte Klassifizierung von Inhalten

Schon heute können KI-Systeme dank Mustererkennung 95 % der Kundenkommunikation automatisch und fehlerfrei dem dazugehörenden Geschäftsvorfall zuordnen.

2 Die automatische Extraktion von Daten

Dadurch gelingt es, Kunden einwandfrei zu identifizieren und der vorliegenden Kundenkommunikation interne Vorgangsinformationen zuzuordnen. Mithilfe von Semantischer Analyse geht die KI auf Wunsch dem Anliegen des Kunden oder der Kundin auf den Grund und liefert Informationen zum Anlass, zur Motivation und sogar zur Stimmung des Kunden.

3 Die vorliegenden Daten werden um lösungsorientierte Informationen angereichert

Der zuständige Customer Agent erhält beispielsweise Zugriff auf die bisherige Kundenkommunikation, Vorschläge für passende Textbausteine, Hinweise auf Cross-Selling-Potenziale oder Rahmenvorgaben zur Kulanz. All diese Schritte sind schon heute mithilfe von Künstlicher Intelligenz umsetzbar!
Darüber hinaus schaffen die drei Schritte auch die notwendigen Voraussetzungen, um KI in Kombination mit Robotic Process Automation (RPA) zur vollständigen Automatisierung von Routineaufgaben einzusetzen.

KI ist jetzt!

Künstliche Intelligenz (KI) ist allgegenwärtig: in Sprachassistenten wie Siri, Alexa oder Cortana, in den zahlreichen Assistenzsystemen von Kraftfahrzeugen, als Online-Unterstützung für Ärztinnen und Ärzte bei der Diagnose und in der Klassifikation von Nukleotid-Sequenzen für die DNA-Forschung. Diese Beispiele zeigen deutlich, dass KI schon heute eine entscheidende Rolle als Assistentin und Unterstützerin für Menschen spielt, egal ob im Berufsleben oder im Privaten. Diese etablierte assistierende und unterstützende Funktion von KI ist auch auf andere komplexe Bereiche wie den Customer Support übertragbar. Schon heute ist es möglich, dass wesentliche Teile einer Kundenanfrage durch KI bearbeiten werden. Betrachten wir dazu ein anschauliches Beispiel: Ein Kunde hat eine Frage an seine Bank. Er lässt die Sprachassistentin Siri die App seiner Bank aufrufen und loggt sich dort per Fingerabdruck ein. Nun ist sein Gesprächspartner der direkt in die Banking-App integrierte Chatbot. Dieser wurde im Vorfeld durch Experten für maschinelles Lernen mit Trainingsdaten „geschult“. Deswegen beantwortet der Bot zahlreiche Routinefragen souverän. Nur im Zweifelsfall wird der Kunde an einen menschlichen Experten verwiesen. Da der Kunde bereits zweifelsfrei identifiziert wurde und seine Daten dem Customer-Support-Agenten in strukturierter Form vorliegen, verläuft auch dieser klassische Austausch von Mensch zu Mensch schnell und effizient – und natürlich sehr zufriedenstellend für den Kunden. Künstliche Intelligenz im Customer Support ist also keine Frage des Ob oder Warum, sondern des Wann und Wie. Wir bei Bolzhauser sagen deshalb gerne: „KI ist jetzt!“ Lesen Sie mehr dazu im Blogbeitrag Spracherkennung.

Künstliche Intelligenz im Customer Support

Künstliche Intelligenz ist der Treiber der Entwicklung im digitalen Customer Support, denn KI erleichtert sowohl Kunden als auch Customer Agents das Leben. Die Praxis zeigt, dass KI-Unterstützung die Bearbeitungszeiten von Kundenanliegen drastisch verkürzen kann – und Kunden und Kundinnen entsprechend zufriedener sind. Darüber hinaus kann die Mitarbeiterzufriedenheit messbar gesteigert werden, weil sich wiederholende Routineaufgaben von KI-Lösungen übernommen werden. Viele Menschen haben noch Vorbehalte gegenüber KI. Dies sollte allerdings kein Hemmschuh für die konsequente Implementierung von KI im Customer Support sein, denn oft sorgt erst die Gewöhnung im Alltag dafür, dass Vorbehalte abgebaut werden. Aktuelle Studien offenbaren dazu Überraschendes: Aktuell nutzen bereits circa 85 Prozent der Internet-Nutzer Künstliche Intelligenz. 50 Prozent haben dabei allerdings gar nicht realisiert, dass sie mit einer KI-Lösung interagiert haben. Customer Support mit seinen zahllosen Interaktionen und häufigen Routineprozessen ist also ein guter Ort, um Künstliche Intelligenz Schritt für Schritt und auf unauffällige Art und Weise zu implementieren. Eine schrittweise Einführung bietet gleich mehrere Vorteile: bestehende, funktionierende Prozesse werden bewahrt, die menschliche Akzeptanz wird schrittweise erarbeitet und Fehler bei der Implementierung werden minimiert. Eine gute Basis ist dabei ein KI-System, das Kundenanfragen scannt und sie entsprechend dem Anliegen (z. B. Reklamation, Kündigung, Problem, Frage) vorsortiert und dann automatisiert an die entsprechende Fachabteilung weiterleitet.

Für reibungslose Prozesse sorgt dabei die sogenannte „Laborgruppe“ der Bolzhauser AG. Dort werden neue automatisierte Prozesse mithilfe von Künstlicher Intelligenz solange getestet und optimiert, bis sie reif für die Praxis sind. Erst dann erfolgt die Übergabe der intelligenten Prozesse an die Kunden. Kunden profitieren aber auch schon während dieses iterativen Prozesses von bewährten Verfahren der Mustererkennung und semantischer Analyse, denn die komplette Kundenkommunikation (z. B. E-Mails) wird von Bolzhauser vorsortiert und in strukturierter Form an die Agentinnen und Agenten und die im Einsatz befindlichen CRM-Systeme zurückgespielt.

Die großen Stärken von KI: Geschwindigkeit, Genauigkeit und Erreichbarkeit

Customer Support ist von Natur aus mehrdimensional: diverse Kontaktkanäle für Kunden, Menschen erwarten schnelle Hilfe bei Problemen, es sind stets mehrere Menschen in eine Kundenkommunikation involviert, und es gibt in der Regel mehr als einen gangbaren Lösungsweg, der zum Ziel führt. Je mehr Kanäle offen sind, zum Beispiel Telefon, E-Mail, Live-Chat, Social Media oder Messenger-Dienste, desto höher sind auch die Anforderungen der Kunden an Reaktionszeit, Fehlerfreiheit und Verfügbarkeit des Kundenservices. Acht Faktoren haben entscheidenden Einfluss auf die Qualität im Customer Support:

Geschwindigkeit, Genauigkeit, Eindeutigkeit, Transparenz, Erreichbarkeit, Selbstverantwortung, Freundlichkeit und Effizienz.

Schon heute kann Künstliche Intelligenz vier dieser Faktoren messbar und nachhaltig positiv beeinflussen: Geschwindigkeit, Genauigkeit, Erreichbarkeit und Effizienz. Von KI gesteuerte Software-Roboter sind schneller, jederzeit erreichbar, machen keine Fehler, und erledigen Routineaufgaben effizienter als Menschen. Diese sogenannte Robotic Process Automation  (RPA) sorgt für Kosteneinsparungen, schafft gleichzeitig zeitliche Freiräume für besonderen persönlichen Kundenservice und erhöht so gleichzeitig Kundenzufriedenheit und Mitarbeiterzufriedenheit.

Mustererkennung und Semantische Analyse: die Hauptaufgaben von KI im Customer Support

Damit später erfolgreich automatisiert werden kann, muss im ersten Schritt die Korrespondenz eines Menschen mit dem Unternehmen korrekt dem richtigen Geschäftsvorfall zugeordnet werden. Bei der Korrespondenz kann es sich beispielsweise um E-Mails oder ausgefüllte Formulare, aber auch um eingescannte handschriftliche Briefe oder Nachrichten über Messenger-Dienste handeln. Die fortlaufende maschinelle Sichtung des kompletten Posteingangs gibt präzise Aufschluss darüber, welcher Art die Anfragen sind und auch darüber, wie hoch deren Dringlichkeit ist. Dank Mustererkennung und Klassifizierung durch KI lassen sich schon heute bis zu 95 % aller Vorgänge vollautomatisch einer Kundennummer und damit den vollständigen Kundendaten zuordnen. Händisches Sorting und Queing ist damit endgültig passé. KI hilft also wesentlich dabei, die Auslastung der Support-Mitarbeitenden besser zu steuern, Backlogs zu vermeiden und Kapazitäten vorausschauend zu planen. Eine besondere Stärke von KI ist die zielsichere Klassifizierung von Kundengruppen. Eine Kundengruppe ist dabei eine Gruppe von Kunden, die bestimmte ähnliche Merkmale aufweist, aber nicht homogen im Sinne der Kundensegmentierung ist. Ein gut trainiertes KI-System ordnet mithilfe von Mustererkennung Anfragen zielsicher der passenden Kundengruppe zu, zum Beispiel „Bestandskunde“, „Neukunde“ oder „Potenzialkunde“. Innerhalb der Kategorie „Bestandskunde“ können dann wiederum Klassifizierungen vorgenommen werden, denn die Korrespondenz wird nach Mustern wie „Name“, „Kundennummer“, „Produktname“, „Datum“ und anderen relevanten Parametern durchforstet. Die korrekte Klassifizierung von Kunden wird so zum wirksamen Mittel der Kampagnensteuerung.

Von der KI identifizierte Kundengruppen können beispielsweise vom Marketing zielgerichteter angesprochen werden. Cross-Selling-Kampagnen, die sich an Bestandskunden wenden, sind besser koordiniert. Reaktivierungskampagnen werden optimal auf die wertvollsten Ex-Kunden ausgerichtet.

Was ist Mustererkennung?

Mustererkennung ist von zentraler Bedeutung für Künstliche Intelligenz und für Verfahren wie Data-Mining und Robotic Process Automation. Mustererkennung ist die Fähigkeit von Maschinen und Menschen, in einer unstrukturierten Datenmenge Gesetzmäßigkeiten, Ähnlichkeiten und Wiederholungen zu erkennen und auf diesem Wege die tatsächliche Struktur der Daten wahrzunehmen und zu erfassen. Typische Beispiele für die Mustererkennung durch Maschinen sind Anwendungen wie die Erkennung von Text, Sprache oder Gesichtern. Die erfolgreiche Erkennung von Mustern ermöglicht es, elementare Klassifizierungen korrekt vorzunehmen. Damit ist überhaupt erst die Basis für Semantik und Abstraktion gelegt, die sich dann in höher entwickelten Systemen durch induktives Denken und Intelligenz äußert.

Semantische Analyse durch KI

Tiefer als die Mustererkennung geht die Semantische Analyse. Ausgangspunkt für die Semantische Analyse ist stets unstrukturierter Fließtext, zum Beispiel aus E-Mails, Briefen oder Online-Kundenfeedback. Mithilfe von automatischem „Text-Mining“ werden aus unstrukturiertem Text strukturierte, weiterverwertbare Metadaten herausgefiltert. Heute kategorisieren KI-Lösungen die Kundenkommunikation bereits erfolgreich nach Anlass, Motivation, Stimmung (Sentiment) und extrahieren gleichzeitig weitere Daten (z. B. Adresse, Ticket-nummer, Reisedaten). Gut geschulten KI-Systemen gelingt es so, aus Kundentexten eine Vielzahl von wertvollen Informationen zu schürfen. Dazu zählen unter anderem:

  • Der Anlass des Schreibens (z. B. Kündigung, Änderung)
  • Die Motivation des Kunden (z. B. Erstattung, Verlängerung)
  • Die Stimmung der Kunden (z. B. gereizt, neutral, wohlwollend)
  • Die Daten des Kunden bzw. des Prozesses (z. B. Adressänderung, Reisedaten)

Bereits auf Basis der Daten zu Anlass und Motivation ist eine sinnvolle Gruppierung und optimierte Steuerung von Vorgängen möglich. Darüber hinaus können den zuständigen Customer Agenten auch bereits bestehende Lösungsvorschläge (z. B. in Form von passenden Textbausteinen) präsentiert werden. Die Extraktion von zusätzlichen Daten aus dem Textkorpus ist ebenfalls eine Routineaufgabe, die maschinell erledigt werden kann. Die auf diese Weise ermittelten Daten sind nun nicht mehr unstrukturiert, sondern können beispielsweise in strukturierter Form an einer API (Schnittstelle) zur Verfügung gestellt werden. Ein besonderer Bonus ist die sogenannte Sentiment-Analyse, die anhand von Wortwahl und Tonalität des Schreibens Aufschluss darüber gibt, wie der Kunde oder die Kundin gestimmt ist. Besonders kritische Beschwerden können dank der KI-Vorarbeit so in der Support-Queue entsprechend Priorität eingeräumt werden.

Aus den Sentiment-Daten lassen sich zusätzlich wertvolle Schlüsse ziehen, die bislang oft nur Menschen treffen konnten: Wird die Kundin erneut anrufen? Wird der Kunde kaufen? Wird die Kundin empfehlen? Welche Kulanzregelung wird den Kunden zufriedenstellen?

Was ist Semantische Analyse?

Semantische Analyse ist eine Analysemethode aus der Sprachwissenschaft, die auch KI-Systemen beigebracht werden kann. Die korrekte Einordnung und Bewertung von Text auf Webseiten durch Suchmaschinen wie Google ist ein klassisches Beispiel für die erfolgreiche Semantische Analyse durch Algorithmen und KI. Besondere Herausforderungen stellen in der Praxis Eigennamen, Personen, Organisationen und Orte dar. Für die erfolgreiche Named Entity Recognition (NER) dieser Begriffe kommen sowohl auf Lexika basierende Ansätze als auch Methoden des Machine Learning zum Einsatz. Noch kniffliger ist das Problem der Mehrdeutigkeit, das durch sogenannte Homonyme verursacht wird. Homonyme sind Wörter deren Klang und Schreibung identisch sind, die je nach Kontext jedoch komplett andere Bedeutungen haben können. Klassische Beispiele sind „Bank“ (Sitzgelegenheit oder Geldinstitut?), „Golf“ (Automarke oder Sportart?), „Kohl“ (Gemüse oder ehemaliger Bundeskanzler?).

Marktforschung auf Basis bestehender Kommunikation

Nachdem Prozesse aus dem Customer Support vollständig digitalisiert wurden, können diese strukturierten Daten – vorausgesetzt der Kunde hat zugestimmt – natürlich auch für die Marktforschung genutzt werden. Dadurch lassen sich beispielsweise bestehende Produkte weiter optimieren oder neue Services entwerfen, die noch besser die Probleme der Kunden und Kundinnen lösen. Mehr Daten über Bestands- und Potenzialkunden führen allerdings nicht automatisch zu besseren Informationen für Marketing, Vertrieb und Produktentwicklung. Der Schlüssel für neue und valide Erkenntnisse liegt auch hier wieder in der intelligenten Analyse der Daten, sei es durch Algorithmen oder Menschen. Um aus Big Data auch tatsächlich Big Insights zu gewinnen, sind in der Regel neue methodische Ansätze und sehr gezielte Fragestellungen vonnöten. Marktforschungs-Experten wie Christian Thunig prognostizieren deswegen, dass KI, zumindest in den kommenden fünf Jahren, noch nicht zum „Game-Changer in der Marktforschung“ wird. Dies liege vor allem daran, dass wirklich tiefgehende Marktforschung Transferleistungen erfordere, die selbst von sehr gut geschulten KI-Lösungen heute noch nicht erbracht werden könnten. Den von der KI beförderten Trend von „weniger Befragung“ und „mehr Datenauswertung“ begrüßt Thunig allerdings ausdrücklich.

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